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Vietnam

Februar / März 2010

Mekong Delta

Nach Uruguay und einer Woche in der Schweiz begann ich meine Vietnamreise im Mekong-Delta, ganz im Süden Vietnams. Der Mekong mündet hier in mehreren Nebenarmen von Tibet kommend nach 4‘350 km ins Südchinesische Meer. Dank den angeschwemmten Sedimenten ist die Erde extrem fruchtbar. Dadurch können statt der üblichen zwei drei Reisernten pro Jahr eingebracht werden. Das Delta vermag mehr Reis zu produzieren, als ganz Vietnam verbraucht. Die Vietnamesen haben das Delta mit unzähligen Bewässerungssystemen und schiffbaren Kanälen überzogen und so spielt sich das Leben im und am Wasser ab. In den Städten ist die Uferpromenade schön gestaltet und ist vor allem abends ein beliebter Treffpunkt.

Die Stadt Chau Doc

Ein besonderes Erlebnis war eine frühmorgige Bootsfahrt bei Sonnenaufgang zu schwimmenden Märkten.

Bei der Stadt Can Tho

Insel Phu Quoc

Ich reiste weiter zur Insel Phu Quoc . Diese Insel bietet alles, was eine tropische Insel ausmacht: Lange, palmengesäumte Sandstrände, kristallklares Wasser und wunderschöne Sonnenuntergänge. Die Insel ist glücklicherweise noch nicht vom Massentourismus entdeckt. Dies wird sich aber Mitte 2012 ändern, wenn der internationale Flughafen eröffnet wird, der von allen Flugzeugtypen ausser dem A380 angeflogen werden kann. Für einen Reisenden wie mich ist dies eine negative Entwicklung, die ich schon an vielen Orten im Laufe der Jahre erlebt habe. Andererseits bedeutet diese Entwicklung für die dort lebenden Menschen mehr Arbeitsplätze und mehr Wohlstand. Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten.

Ho Chi Minh City

Ho Chi Minh City, von den meisten immer noch Saigon genannt,  ist das Wirtschaftszentrum Vietnams mit modernen Gebäuden und Millionen von Motorrädern. Überall und zu jeder Tageszeit hört man ihr Knattern. Für die Vietnamesen kann ein Motorrad ein Auto ersetzen, denn auf einem Motorrad haben eine 5-köpfige Familie ebenso Platz wie grosse Lasten. Hier findet man beschauliche Tempel ebenso wie Roof-Top-Bars in internationalen Luxushotels und Nudelsuppen-Küchen. Nachts herrschte in der Stadt dank der Beleuchtung für das kommende chinesische Neujahr eine festliche Atmosphäre. Im Reunification Palace ist Ho Chi Minh’s Büste mit dem fünfzackigen, vietnamesichen Stern ausgestellt.

Der Stern ist mit gut sichtbaren, hellen Klebstreifen zusammen geklebt, wie es bei uns für einen Kindergeburtstag akzeptabel wäre. Dieses kleine Beispiel zeigt, dass die Vietnamesen keine Perfektionisten sind. In Saigon habe ich gelernt, wie man eine vietnamesische Strasse überquert, obwohl dauernd Motorräder durchflitzen. Man glaubt, dass es unmöglich ist, aber es ist ganz einfach. Mit viel Vertrauen läuft man langsam in eine kleine Lücke in der Motorradmeute und bleibt immer in Bewegung, während man die entgegenkommenden Motorräder beobachtet. Die Motorräder antizipieren den Kurs der Fussgänger und fahren an ihnen vorbei. Wenn man stehen bleibt, provoziert man Unfälle.

Tunnel der Viet Cong

Eine besondere Sehenswürdigkeit sind die Tunnel der Viet Cong, die das ganze Land durchzogen und bis in die Vororte von Saigon reichten. Die Tunnel dienten den Viet Cong Kämpfern als Rückzugsort während Gefechten, aber auch als Kommunikations- und Nachschub-Kanäle, Schlafstätten, Esswaren- und Waffenlager und Spitäler. Sogar für die schmächtigen Vietnamesen waren sie eng konzipiert. Das Leben in den Tunnels war schwierig. Die Kämpfer mussten die Tunnels mit Ameisen, giftigen Tausendfüsslern und Malaria-Mücken teilen. Meist verbrachten die Kämpfer den Tag durch in den Tunnels und kamen über Nacht an die Oberfläche, um die Ernte zu bestellen oder Kampfhandlungen vorzunehmen. Um die Tunnel vor den Amerikanern zu schützen, waren die Eingänge extrem schmal und gut getarnt. Zudem gab es viele primitive Fallen, die ihr Ziel trotzdem erreichten. Die Amerikaner konnten die Tunnels nie einnehmen. Sie waren einfach zu lange und zu komplex konzipiert.

Tunnel bei Cu Chi

Nha Trang

Nach diesem Ausflug in die Geschichte reiste ich weiter zur Strand-Hauptstadt Vietnam’s, nach Nha Trang . Der Strand hier ist breit und lang. Nicht weit von der Stadt entfernt befinden sich Inseln mit ausgedehnten Korallenriffen und vielen exotischen Fischen: Ein Schnorchelparadies! Wie überall in Vietnam hat sich auch diese Stadt in wenigen Jahren von einem verschlafenen Nest zu einer Tourismusdestination mit internationalen Hotelketten entwickelt. Sogar eine Bar mit eigener Mikro-Brauerei  mit sechs verschiedene Sorten Bier befand sich am Strand. Keine Frage, wo mein Lieblingsaufenthaltsort in Nha Trang war.

Vom 13. auf dem 14. Februar feierte Vietnam das neue Jahr, basierend auf dem Mondkalender. Unzählige Leute bestaunten das Silvester-Feuerwerk vom Strand aus und feierten bis tief in den neuen Morgen hinein. Es war ein besonderes Erlebnis, auch wegen den unzähligen Motorräder, die sich an der Strandpromenade versammelten. Der Vietnamese ist sehr abergläubisch und so es existieren unzählige Regeln zu diesem Fest. Eine besagt, dass der erste Hausbesucher im neuen Jahr über Glück oder Unglück für das ganze Jahr bestimmt. Um Überraschungen zu vermeiden, geht der Hausbesitzer deshalb zur Sicherheit vor Ablauf des alten Jahres selbst schnell aus dem Haus, um dann als erster im neuen Jahr das Haus zu betreten.

Die Long Son Pagode

Besuch in einem Kloster bei Na Trang

Hoi An

Weiter habe ich Hoi An besucht. Hoi An ist eine kleine Stadt, deren Altstadt glücklicherweise während des Vietnamkrieges nicht beschädigt wurde und deswegen weitgehend ursprünglich erhalten geblieben ist. 1999 wurde ihr sogar der UNESCO World Heritage Status vergeben. Leider ist dies nicht nur zum Segen, denn in die Häuser zogen seitdem entweder Souvenir-Shops, Galerien Hotels oder Schneiderläden  ein. Einige der ursprünglichen Einwohner haben ihr Haus verkauft und leben nicht mehr in der Altstadt. Mietet man ein Velo, ist man jedoch nach wenigen Minuten in einer anderen Welt, zwischen Reisfeldern und Tempeln und wird von den freundlichen Vietnamesen schnell zu einer Runde Reisschnaps oder Bier eingeladen.

Die Marmor-Berge (engl. Marble Mountains)

Hue

Die alte Königsstadt Hue war mein nächstes Reiseziel. Hier besichtigte ich Ruinen und den teils restaurierten Königspalast. Dank den vielen Pärken, Gebäuden und reich geschmückten Torbögen konnte man sich das Leben am Kaiserhof lebhaft vorstellen. Ein paar Kilometer von Hue entfernt entlang das Parfüm-Flusses befinden sich die Gräber der Könige. Das sind grosszügige Anlagen mit Pagoden, Tempeln, Pärke und Seen, die die Könige während ihrer Lebenszeit planten und bauen liessen.

Das Grabmal des vietnamesischen Herrschers Khai Dinh

Halong Bay

Für viele ist der Besuch der Halong Bay der Höhepunkt einer Vietnam-Reise. Auch ich war fasziniert von dieser Insellandschaft , die sich über 1‘500 km² erstreckt und 1‘969 Inseln aus Kalkfelsen umfasst. Ich war drei Tage mit einer Dschunke in der Bucht unterwegs. Nachdem ich am ersten Abend einen Sonnenuntergang geniessen konnte, waren die nächsten zwei Tage neblig. Es war eine ganz spezielle, mystische Stimmung . Bilder sagen mehr als tausend Worte. Leider treibt immer mehr Unrat im Meer. Es wird der Tag kommen, an die Vietnamesen die Gegend reinigen müssen, um das touristische Potential dieser Gegend aufrecht zu erhalten und um dem Status „UNESCO World Heritage Site“ weiterhin gerecht zu werden.

Die Höhle Hang Sung Sot

Sapa

Anschliessend fuhr ich mit dem Nachtzug in den bergigen Norden Vietnam’s. Als erstes besuchte ich Sapa, ein touristisches Bergstädtchen, in dem Mitglieder der Bergvölker farbige, selbst hergestellte Waren verkaufen. Ich wollte eine Wanderung zu Dörfern der Bergvölker unternehmen. Man hat mir empfohlen, ich solle mit zwei Frauen in ihr Dorf wandern. Das habe ich organisiert und sofort ging es los. Eine hatte ihr einmonatiges Kind auf den Rücken gebunden. Es war eine tolle Wanderung mit Aussicht auf Berge und unzählige Reisterrassen. Unterwegs kamen wir an einem Dorf vorbei, wo ich in ein Haus geleitet wurde. Ich durfte mein Beileid am Sarg einer jungen Mutter mit kleinen Kindern ausdrücken. Eine meiner Begleiterinnen hat mir erzählt, dass sie selbst ein Kind im Alter von einem Jahr verloren hat. Die Sterblichkeit ist in diesen Bergdörfern gross. Nach drei Stunden Wanderung kamen wir in ihrem Dorf an. Es besteht aus ein paar Holz- und Bambushäusern, Reisterrassen, ein paar Hühnern, zwei Hunden und einem Fischteich. In der Hütte hoch über dem Feuer baumelten ein paar Speckschwarten und Haut von einem Schweinekopf, die so geräuchert werden. Wenn die Hühner nicht verkauft werden müssen, steht auch einmal ein Huhn auf dem Speiseplan. Es stellte sich heraus, dass diese Frauen jeden Tag zwei Mal drei Stunden nach Sapa und zurück laufen, um ihre Waren zu verkaufen. Wohl die wenigsten Touristen sind sich bewusst, welcher Effort dahinter steckt, wenn diese Frauen in der Stadt ihre Ware anpreisen. Es ist ein hartes Leben. Die Bekanntschaft mit diesen beiden Frauen machte mich nachdenklich. Die Diskrepanz zu unserem Leben könnte nicht grösser sein.

Die Märkte in Can Cau und Bac Ha

Am nächsten Tag reiste ich weiter nach Bac Ha, einem weiteren Bergstädtchen, nahe der chinesischen Grenze. Jeden Samstag findet zwanzig Kilometer von Bac Ha entfernt in Can Cau ein Markt der Bergvölker statt. Es ist ein Fotografenparadies. Die Auswahl der Fotos für den Reisebericht fiel mir schwer. Übrigens sind nur Frauen auf den Fotos, weil nur sie eine Tracht tragen. Sonntags fand der Markt in Bac Ha selbst statt. Dieser Markt war grösser und umfasste neben Esswaren und Textilien auch Alltagsgegenstände, Tiere (Büffel, Schweine, Hühner, Hunde und Singvögel) und landwirtschaftliche Produkte wie Pflüge. Während die Frauen sich um die Kleider, Esswaren und kleinen Nutztiere kümmerten, waren die Pflüge, Büffel und Singvögel eine Domäne der Männer.

Hanoi

Hanoi ist wie Saigon von Motorrädern infiziert. Nur in der Nacht und am Morgen früh ist es ruhiger, wenn viele Leute am See mitten in der Stadt ihr Morgenturn-Programm absolvieren. Ein Besuch wert war das Ho Chi Minh Mausoleum, wo Onkel Ho nach der selben Art wie Lenin,  Mao und Kim Il-Sung konserviert ist, obwohl er seine Asche ganz bescheiden in den Bergen verstreut haben wollte, auch um Ackerland zu sparen. Das Fine Arts Museum zeigte viele eindrucksvolle vietnamesiche Kunstwerke aus allen Epochen.

Ein Exponat des Fine Arts Museums

Ein Besuch im Wasser-Puppen-Theater findet sich auf jedem Hanoi-Programm. Es ist eine Art Kasperletheater im Wasser, das seit dem 11. Jahrhundert vor Christus in den überfluteten Reisfeldern praktiziert wird. Die Figuren werden über Stangen und Drahtmecha­nis­men, die im trüben Wasser versteckt sind, bewegt.

Ich habe die Vietnamesen als neugieriges, lustiges und freundliches Völkchen kennengelernt. Ihre Geschäftstüchtigkeit ist bekannt. Sie benutzen jede erdenkliche Gelegenheit, um etwas zu verkaufen. Sogar die Geschäftsleitung von Vietnam Airline wünscht in ihrem Magazin „a pleasant and profitable journey„. Nach der vietnamesischen Wende kann sich dieser Charakterzug wieder voll entfalten. Allerdings hat Vietnam noch einen langen Weg vor sich, bis es internationale Standards erreicht hat, zum Beispiel in der Waren- und Dienstleistungsqualität und in Umweltfragen.

Für die Vietnamesen sind anscheinend Regeln und Vorschriften nicht bindend. Fotoverbote in Museen oder Gräbern werden einfach ignoriert. In Hanoi’s Fine Arts Museum war fotografieren auch verboten. 😉 Wird ein Motorradfahrer von der Polizei angehalten, wird Fahrerflucht begangen.

Ho Chi Minh hat für die Vietnamesen die Wiedervereinigung erreicht. Ansonsten muss man eine negative Bilanz ziehen. Sein Wirtschaftskonzept schaffte weniger Wohlstand, auch für die Armen, als das kapitalistische System. Auch seine Partei zeigt nicht die Integrität und Volksverbundenheit, die er sich gewünscht hatte, sonst wäre Vietnam nicht auf Platz 120 des Welt-Korruptionsindexes, gleichauf mit Kasachstan und Äthopien. Die Schweiz ist übrigens auf Platz fünf nach Neuseeland, Singapur, Dänemark und Schweden.

Als nächstes reiste ich nach West-Australien.