Mai 2022
Von der Nachbarinsel Mauritius kommend flog ich in 45 Minuten auf die französische Insel La Réunion. Die Insel ist nicht für Traumstrände bekannt und es kommt zu Haiangriffen, aber für Wanderer ist sie ein Paradies. Mehrere Wanderrouten durchziehen die Insel. Übernachtet wird in einfachen Berghütten. Die Wanderungen sind anspruchsvoll. Die Täler sind tief und der Weg ein stetiges Auf und Ab, typischerweise mit mehr als tausend Höhenmetern pro Tag. An einem normalen Wandertag sind 8 Stunden Fussmarsch keine Seltenheit. Man muss also fit sein, um auf La Reunion zu wandern.
Ein Kollege, der zuvor mehrere Monate auf La Reunion verbracht hatte, gab mir den Rat, nicht die ganze Wandertour quer durch die Insel am Stück zu unternehmen, sondern den Hauptort Saint-Denis als Basis für die Wanderungen zu benutzen und anschliessend zurückzukehren, um sich vor der nächsten Wanderung ein paar Tage zu erholen und die Kleider zu waschen. Das war eine sehr gute Idee!
Die Berghütten boten einfache Mehrbettzimmer an, aber aufgrund der Covid-19-Vorschriften war ich gezwungen, das ganze Zimmer für mich allein zu buchen, damit ich getrennt von anderen Gruppen schlief. Dadurch wurde die Kapazität der Hütten stark eingeschränkt und ich musste weit im Voraus buchen. Zudem war die Reise teurer, da ich für alle Betten im Zimmer zahlen musste, obwohl ich nur eines nutzte.
Einige Hütten waren an bestimmten Tagen bereits belegt, sodass es schwierig war, ein Abmarschdatum zu finden, so dass alle Hütten am vorgesehenen Datum frei waren. Sechs Wochen vor meiner Ankunft konnte ich schliesslich von Thailand aus zusammen mit der Touristeninformation von La Réunion die Hütten in der richtigen Reihenfolge reservieren.
Die ersten Tage verbrachte ich im Hauptort Saint-Denis und erledigte einige letzte Aufgaben wie den Kauf einer SIM-Karte (Orange hat die beste Netzabdeckung), das Verstehen des Bussystems (die ‚Car Jaune‘ App ist sehr hilfreich) und der Bestätigung aller Reservierungen.
Inhaltsverzeichnis
Saint-Denis
Jardin de l’État
Dieser botanische Garten wurde 1776 eröffnet und beherbergt über 2’000 verschiedene Pflanzenarten.
Natürlich gibt es in Saint-Denis auch einige gute Restaurants. Die Insel gehört ja zu Frankreich!
Restaurant Le Bar à Huîtres
Ich besuchte dieses Restaurant jedes Mal, wenn ich in Saint-Denis war, und bestellte immer den Meeresfrüchteteller mit Austern, Krevetten und Meeresschnecken. So frisch!
Restaurant L’Atelier de Ben
Dies war ein weiteres grossartiges Restaurant.
Am Sonntagabend und Montag war es schwierig, ein Restaurant zu finden, da die meisten Restaurants zu diesen Zeiten geschlossen waren. ‚Le Palmier‘ war jeden Tag geöffnet und bereitete akzeptable Mahlzeiten zu. Eine Reservation war an diesen Tagen erforderlich. Das ‚Inde o Chine‘ war ebenfalls geöffnet, aber einfacher und nicht so zentral gelegen. Die grossen Pasta-Portionen waren perfekt, um die Kohlenhydratespeicher vor einer Wanderung zu füllen.
Lavatunnel bei Sainte Rose
Mein Kollege empfahl den Besuch eines Lavatunnels, die an der Ostküste der Insel vorkommen. Sie entstanden durch fliessende heisse Lava von einem Ausbruch des Vulkans Piton de la Fournaise, die an den Randzonen bereits abkühlte, während der heisse innere Teil der Lava abfloss und einen Tunnel hinterliess.
Die Lavaformationen und der Tunnel waren sehr eindrucksvoll!
1. Wanderung: Hell-Bourg – Belouve – Gîte de la Caverne Dufour – Cilaos
Ich erreichte Hell-Bourg mit dem Bus von Saint-Denis aus.
Wanderung von Hell-Bourg nach Belouve
Blick zurück nach Hell-Bourg
Die Hütte (in La Reunion Gîte genannt) in Belouve war sehr modern und eine der komfortabelsten aller Gîtes.
Wanderung von Belouve zur Gîte de la Caverne Dufour
Ein weiterer Blick auf Hell-Bourg von weiter oben
Die Gîte de la Caverne Dufour (auch Gîte Piton des Neiges genannt) befindet sich auf 2’478 Metern. Sie hat keine Duschen und in der Nacht wurde es sehr kalt. Ich schlief allein in einem 6-Bett-Zimmer (und zahlte für 6 Personen) wegen Covid-19-Einschränkungen. Damit war dies die teuerste Unterkunft auf meiner La Réunion-Reise. Die meisten Wanderer auf der Insel verbringen eine Nacht in dieser Hütte, weil sie in der Nähe des Vulkans Piton des Neiges ist, der mit 3’071 Metern der höchste Punkt der Insel als auch des gesamten Indischen Ozeans ist.
Sonnenaufgang auf dem Piton des Neiges (3’070 m) – Der höchste Punkt im Indischen Ozean
Die meisten Touristen stehen früh auf, um den Sonnenaufgang vom höchsten Punkt der Insel zu erleben. Ich benötigte 1.5 Stunden zum Gipfel. Es war kalt, bevor die Sonne aufging.
Bilder vom Gipfel mit Blick auf Cilaos, meinem nächsten Ziel
Blick auf den Vulkankrater
Auf dem Rückweg zur Gîte de la Caverne Dufour
Wanderung von der Gîte de la Caverne Dufour nach Cilaos
Nachdem ich die Hütte hinter mich gelassen hatte, sah ich von einem Aussichtspunkt auf der Wanderung das Dorf Cilaos, das auf einem Plateau in einem der Täler liegt, die vom Vulkan Piton des Neiges ausgehen. Es war noch ein langer und steiler Weg, bis ich meine Unterkunft in Cilaos erreichte, wo ich einige Tage blieb.
Von Cilaos aus habe ich einige Tageswanderungen unternommen.
Wanderung von Cilaos nach La Chapelle
Am nächsten Tag wanderte ich zu einem Ort namens La Chapelle mit grossartiger Aussicht auf die zerklüftete Landschaft.
Ich musste mehrmals einen Fluss überqueren (ja, ich zog die Schuhe aus und watete durch das kalte Wasser) und über grosse Felsen klettern, bis ich schliesslich La Chapelle erreichte: Einen Teich und eine Felswand mit einer Öffnung.
Wanderung von Cilaos zur Cascade de Bras Rouge
Am nächsten Tag wanderte ich zum Bras Rouge-Wasserfall.
Beeindruckende Landschaften
Das Tal direkt oberhalb des Wasserfalls
Der Wasserfall
und auf dem Rückweg!
Ein toller Tag!
Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Bus von Cilaos zurück nach Saint-Denis.
2. Wanderung: Saint-Denis – Gîte de la Roche Ecrite – Dos d’Ane – Ilet à Malheur – Roche Plate – Marla – Cilaos
Wanderung von Saint-Denis zur Gîte de la Roche Ecrite
Die Wanderung beginnt in Saint-Denis beim Office National des Forêts (ONF). Entgegen den Angaben der Touristeninformation heisst die nächstgelegene Busstation Cité Papaya. Der erste Teil der Wanderung in der Nähe der Stadt ist nicht besonders interessant. Wer diesen Teil auslassen möchte, kann den Bus bis zur Haltestelle Le Brûlé nehmen. Damit hätte der Wanderer 3 Stunden gespart. Dies ist eine exklusive Information, die weder die Tourist Information noch andere Webseiten erwähnten.
Blick auf Saint-Denis an der Küste.
Am Nachmittag wurde das Wetter meist regnerisch und manchmal neblig. Daher war es wichtig, früh mit dem Wandern zu beginnen. Ich stand normalerweise um 7 Uhr auf und ging um 8 Uhr los. Hier schaffte ich es rechtzeitig zur Hütte Gîte de la Roche Ecrite, aber spätere Wanderer wurden durchnässt.
Gîte de la Roche Ecrite: Am nächsten Tag war das Wetter wieder perfekt. Diese Hütte hat sogar Duschen auf dem Zimmer, aber sie waren kalt und es floss kaum Wasser.
Wanderung zum Roche Ecrite (2’276 Meter)
Ich wanderte die 4 km bis zum Gipfel des Roche Ecrite, von wo ich einen tollen Blick auf das Tal des ‚Cirque de Salazie‘ hatte.
Auf dem Abstieg von Roche Ecrite
Wanderung von der Gîte de la Roche Ecrite nach Dos d’Ane
Der Weg war anfangs sehr schlammig. Später bot er grossartige Aussichten.
Blick auf das Dorf Dos d’Ane
Weitere tolle Aussichten kurz vor dem steilen Abstieg nach Dos d’Ane
Wanderung von Dos D’Ane zur Gîte Ilet à Malheur
In der Unterkunft in Dos D’Ane traf ich einen alleine wandernden Franzosen. Aus Sicherheitsgründen und zur Unterhaltung wanderten wir die nächsten Tage bis Cilaos zusammen.
Dies war ein aussergewöhnlich anspruchsvoller Tag, denn die Wegstrecke betrug 21,3 km mit 1’070 Metern Auf- und Abstieg.
Die Wanderung begann mit fünf Flussüberquerungen, bei denen jedes Mal die Schuhe ausgezogen werden mussten.
Entschädigt wurde ich mit grossartigen Aussichten.
Wanderung von Gîte Ilet à Malheur nach Roche Plate
Dies war eine weitere anstrengende Wanderung mit 1’250 Metern Aufstieg und 1’400 Metern Abstieg, die acht Stunden dauerte.
Wanderung von Roche Plate nach Marla
Diese Wanderung sollte eigentlich kürzer sein, hatte aber dennoch ihre Herausforderungen mit zwei Flussüberquerungen und einem langen Aufstieg nach Marla, wo wir gerade noch vor dem einsetzenden Regen ankamen.
Wanderung von Marla nach Cilaos
Dieser Tag begann mit einem Aufstieg von Marla auf 1’629 Metern zu einem Pass, dem Col du Taïbit auf 2’081 Metern.
Nach dem Pass begann der lange Abstieg. Ich beschloss, nach 2 Stunden Wanderung vom Col du Taïbit den Bus zu nehmen. So sparte ich mir weitere 2 Stunden Fussmarsch nach Cilaos, wobei der Weg meist der Strasse folgte. Meine Beine waren dafür dankbar.
Nach einer Nacht im Dorf Cilaos, das ich bereits von meiner vorherigen Wanderung kannte, kehrte ich nach Saint-Denis zurück.
3. Wanderung: Bourg-Murat – Grand Bassin – Gîte du Volcan – Piton de la Fournaise – Bourg-Murat
Ich erreichte Bourg-Murat mit dem Bus von Saint-Denis und verbrachte dort die erste Nacht. In Bourg-Murat gibt es ein sehenswertes Museum, das dem Vulkan Piton de la Fournaise gewidmet ist und den Vulkanismus und die Geschichte der Insel aufzeigt.
Es war nicht geplant, dass ich Grand Bassin besuchte, da es in der entgegengesetzten Richtung zu meinem eigentlichen Ziel, dem Vulkan Piton de la Fournaise, liegt. Ich hatte bereits eine Reservation in der Hütte von Roche Plate. Doch zwei Wochen vor meiner Ankunft auf La Réunion teilte mir die Tourist Information mit, dass die Roche Plate-Hütte geschlossen sei, da es keinen Strom gebe. Die Touristeninformation schlug daraufhin vor, Grand Bassin zu besuchen. Es war ein schöner Ort, aber dieses Tal ist sehr abgelegen und ich musste daher eine lange Strecke zurücklegen, um die nächste Hütte Gîte du Volcan zu erreichen.
Wanderung von Bourg-Murat nach Grand-Bassin
Die erste Hälfte der Wanderung verlief auf asphaltierten Strassen mit gelegentlichem Lastwagenverkehr. Der Abstieg nach Grand Bassin durch einen wilden Wald war jedoch sehr eindrucksvoll.
Ich stiess auf diese Spitzmaus, ein Nagetier, das aus Indien nach La Réunion eingeführt wurde und sich auf der ganzen Insel ausgebreitet hatte. Später erfuhr ich, dass die Einheimischen diese Tiere in der Vergangenheit gejagt und gegessen haben.
Nachdem ich die Herberge in Grand Bassin erreicht hatte, wanderte ich weiter zum berühmten Wasserfall von Grand-Bassin.
Der Grand-Bassin Wasserfall
Wanderung von Grand-Bassin nach Bois Court
Es war unmöglich, mein nächstes Ziel, die Gîte du Volcan, von Grand Bassin aus zu Fuss zu erreichen, da die Entfernung mehr als 25 km betrug und ein Anstieg von 1’700 Metern zu bewältigen war. Die Tourist Information riet mir daher, per Anhalter zu fahren, gab mir aber keine weiteren Informationen. Also fragte ich am Morgen in der Unterkunft, wo ich die nächste Strasse finden kann. Zu meiner Überraschung erfuhr ich, dass es keine Strasse in dieses Tal gibt und ich zuerst zu Fuss einen Höhenunterschied von 700 Metern bis zu einem Dorf namens Bois Court überwinden musste, um zur nächsten Strasse zu gelangen.
Dank der Bus-App ‚Car Jaune‘ konnte ich zwei Buslinien ausfindig machen. Die eine brachte mich zunächst ins Zentrum von Bois Court. Nach einem Buswechsel fuhr ich mit der zweiten Linie zur Endstation mit dem Namen ‚Terminus Pierre Cardin‘. Die Bushaltestelle lag mitten im Nirgendwo und ich war der letzte Passagier im Bus. Die Fahrerin fragte mich, wo ich hinwollte und machte sich Sorgen um mich.
Wanderung vom Terminus Pierre Cardin zur Gîte du Volcan
Ich fand bald den offiziellen Wanderweg der GR2-Wanderung (GR steht für grande randonnée) und folgte ihm. Es war kalt, neblig und regnerisch, nicht das ideale Wanderwetter, aber ich musste weiter, damit ich meine nächste Unterkunft erreichte.
Ich wanderte durch aussergewöhnliche Landschaften. Obwohl die Hütte auf 1’700 m ü. M. lag, führte der Weg bis auf 2’325 m ü. M. hinauf zu einem Ort mit dem Namen ‚Teufelskralle‘ (Griffe du diable).
Ich erreichte die Hütte 4 Stunden nach dem Verlassen des Busses und war sehr überrascht zu sehen, dass ich wohl der einzige war, der zu Fuss hierher kam, denn es gab eine Strasse direkt zur Hütte. Es war eine grosse Unterkunft mit vielen Gästen. Es gab sogar warme Duschen, ein Luxus in den Gîtes.
Wanderung von der Gîte du Volcan zum Piton de la Fournaise und zurück
Die Wanderung zum Vulkan Piton de la Fournaise war ein Höhepunkt meiner La Réunion-Reise. Dieser 2’632 Meter hohe Vulkan ist einer der aktivsten der Welt. Der letzte Ausbruch war 2007, als ein Teil des Kraters einstürzte und der Boden des Kraters um 300 Meter absank.
Da im Laufe des Morgens Nebel aufzieht, startete ich die Wanderung früh. Es regnete, aber es klarte bald auf.
Auf dem Weg zum Krater im Hintergrund
Ich hatte Glück, dass dank vereinzelten Tropfen Regenbogen zu sehen waren.
Bald kam Nebel auf.
Von der Gîte bis zum Kraterrand benötigte ich 2.5 Stunden. Es war neblig, aber gelegentlich war die Sicht auf den Kraterboden frei.
Blick in den Krater
Auf dem Rückweg konnte ich ein weiteres fantastisches Foto mit dem Hauptkrater im Hintergrund, einem Nebenkrater und einem Regenbogen schiessen. Wow!
Es war 14 Uhr, als ich zur Gîte du Volcan zurückkehrte. Meine nächste Unterkunft in Bourg-Murat war 20 km entfernt. Es war also zu weit, um zu dieser Zeit dorthin zu wandern. Zudem hatte ich bereits eine fünfstündige Wanderung hinter mir. Gemäss Tourist-Information sollte ich per Anhalter nach Bourg-Murat gelangen. Ich ging also zum Parkplatz und erkundigte mich nach einer Mitfahrgelegenheit. Nach mehreren erfolglosen Versuchen nahm mich ein freundliches französisches Ehepaar mit. Merci!
Am nächsten Morgen reiste ich mit dem Bus zurück nach Saint-Denis, wo ich zwei weitere Tage blieb, bevor ich nach Frankreich flog, um ein paar Michelin-Sterne-Restaurants zu besuchen.